Sonntag, 25. November 2012

Tallinn



So da war ich also auch in Estland. Ich will an dieser Stelle noch mal betonen, dass ich hier nicht nur reise, sondern auch unter der Woche wirklich hart studiere. Ein Erasmusjahr ist nämlich kein Ponyhof! Sop :-P

Im Vorfeld meines Auslandsaufenthalts hätte ich nicht gedacht, dass ich mal nach Estland reisen würde. Freitagmorgen gings dann, in aller Frühe, erstmal mit dem Bus von Turku aus nach Helsinki. Nachdem wir im Bahnhof gefrühstückt hatten und noch etwas durch die noch zue Innenstadt von Helsinki gelaufen sind, sollte auch bald schon unsere Fähre Richtung Tallinn in See stechen. Im Vorfeld hatten wir etwas Angst, dass die Fähre nicht fahren würde, da LindaLine am Vortag alle Überfahren gestrichen hatte, aber alles verlief reibungslos und nach 90 Minuten Fahrzeit legten wir am Hafen von Tallinn an.
Die ersten Eindrücke von Tallinn waren wenig ansprechend. Zerfallene Häuser, stillgelegte Fabriken, irgendwie so, wie man sich den Osten vorstellt. Aber je weiter wir uns von der Anlegestelle entfernten, desto näher kamen wir der Altstadt und dem schönen Teil der Stadt.
Unser erstes Ziel war die Touristeninformation, wo täglich um Punkt 12 eine kostenlose Führung durch die Stadt angeboten wird. Wir waren knapp 10 Touristen, größtenteils Studenten. Unser Guide war gut informiert und erzählte uns in der zweistündigen Führung vieles Wissenswertes über die Stadt und Ihre Geschichte.

Der erste Stopp führte uns zum Freiheitsplatz, der 2009 fertig gestellt wurde. Dort kann man unterirdisch einige Überreste der alten Stadtmauern sehen und das Unabhängigkeitsdenkmal. Es symbolisiert die Befreiung Estlands aus der Fremdherrschaft in den Kriegen zwischen 1918-1920.

Danach gings zum Kiek in die Kök. Na was meint ihr wohl was das heißt? Ja genau, guck in die Küche :-D Da Estland lange von Deutschen besetzt wurde, sind viele deutsche Wörter noch in der estnischen Sprache enthalten. Seiner Zeit was Kiek in die Kök der stärkste Kanonenturm des Batikums und gehörte zum Stadtmauer Tallinns. Seinen Name bekam der Turm, weil die Wachmänner durch den Schornstein direkt in die Küche gucken konnten und sahen, was es zu essen gab.
 
Wir wanderten entlang der Stadtmauern, die fast Weltkulturerbe geworden wären, und gelangten auf den Domberg. Dort liegt die Alexander Newski Kathedrale, die größte  russisch- orthodoxe Kathedrale in Tallinn, die an die ehemalige Zarenherrschaft erinnert. Drinnen waren wir auch, aber so opulent wie sie von außen ist, so klein wirkt sie von innen. :-D Allgemein ist heute der Großteil der Bevölkerung dort konfessionslos.

Vor der Kathedrale steht die wohl teuerste, öffentliche Toilette. Es war die erste Toilette in Estland mit elektrischer Spülung, die nach den ersten Tagen jedoch schon defekt war. Na dafür haben sich die 2,3 Millionen schwedischen Kronen auf jeden Fall gelohnt. ;-) Heute wird sie sehr gerne von Obdachlosen als Nachtquartier genutzt.

Im Anschluss wurden wir zu einer Aussichtplattform geführt, von wo man einen phantastischen Blick über die Altstadt bis in zum Hafen und die neueren Stadtteile hatte. Quasi über Vergangenheit und Zukunft :-P Da hätte sich die Sonne aber gern mal ein bissl zeigen können um das Bild perfekt zu machen :-D

Unsere Tour endet auf dem Rathausplatz. Mitten auf dem Markplatz befindet sich eine Markierung, von wo aus man alle 5 Kirchen Tallinns sehen kann. Die St. Olaikkirche war mit ehemals 159m das höchste Gebäude der Stadt und wurde dadurch zum Blitzableiter. 8 Mal schlug dort bisher der Blitz ein und zweimal brannte sie nieder. Nun ist sie nur noch 124m hoch. Damit man sie dennoch vom Rathausplatzsehen kann, wurde, in dem vorgebauten Haus eine Ausbuchtung ins Dach gemacht :-D Was die Leute sich nicht alles einfallen ;-) Gerade wurde auch der Weihnachtsbaum auf dem Rathausplatz aufgestellt und die ersten Hütten aufgebaut, aber für den Weihnachtsmarkt waren wir ne Woche zu früh dran. In Tallinn wurde übrigens der allererste Weihnachtstannenbaum auf einem öffentlichen Platz in Europa aufgestellt, allerdings nicht geschmückt, der stand in Riga ;-)

Markierung auf dem Rathausplatz
Die Stadtführung war echt super, weil man viele interessant Informationen und so einen Gesamtüberblick, über die Sehenswürdigkeiten der Stadt, bekommen hat, dazu noch für lau. Also absolut empfehlenswert.

Nach der gelungenen Stadtführung suchten wir erstmal unser Hotel auf. Ursprünglich wollten wir in einem Hostel übernachten, aber nachdem uns einige schlechte Bewertungen über fensterlose Zimmer, Pappewände und dreckige Bäder abgeschreckt hatten, entschieden wir uns doch ein Zimmer in Go Hotel Shnelli zu buchen. Das Zimmer war einfach, aber sauber und es gab super Betten :-D Ich find das schönste an den Reisen hier ist, dass ich immer mal wieder ne Nacht gut schlafen, und meinem Bett in Turku entfliehen kann^^ Frühstück war auch okay, wenn auch sehr herzhaft mit Schwarzbrot, sauren Gurken und Nudelsalat statt Nutella.

Unabängigkeitsdenkmal
Nach dem kurzen Zwischenstopp war Kaffeezeit und wir suchten ein schönes Cafe. Letztendlich waren wir im "Kohvik Must Puudel". Ein schön gemütlich,  urig eingerichtetes Cafe. Kuchen und Preise waren okay aber der Latte Macchiato war leider eher lauwarm. Dafür hatten sie kostenloses Wlan, was die Bewertung wieder steigert. Allgemein gibt es jedoch in Tallinn fast überall kostenfreies Wlan, so dass es eher verwunderlich ist, irgendwo kein Netz zu haben. Unsere Stadtführerin ging sogar soweit zu sagen, dass kostenloses Wlan, das erste Grundgesetz sein sollte und sie es nicht verstehen kann, weshalb dies in anderen europäischen Ländern nicht gibt.^^
Unterirdisch: Alte Stadtmauern
Nachdem wir uns gestärkt und aufgewärmt hatte, machten wir uns auf den Weg zu eines der Tallinnhighlights, nämlich zum Friseur. Da die Haare über die Monate immer länger werden und finnische Friseure teuer sind, hatten wir überlegt in Tallinn zu gehen. Ich war allerdings noch etwas unsicher, so dass ich erstmal meiner Mitreisenden den Vorzug ließ. Wir fanden den Friseur, welcher uns von unserer Stadtführerin empfohlen wurde auch relativ schnell. Die Kommunikation vor Ort gestaltete sich allerdings etwas schwierig, da die beiden russischen Friseure kein Wort Englisch verstanden, naja Zeichensprache tut es schließlich auch…Für mich stand danach fest, dass ich mir dort definitiv nicht die Haare schneiden lassen werde, aber die Abenteuerlust meiner Mitfahrerin schien geweckt. Leider war im Laden gerade einiges los, so dass wir in ner Stunde noch mal wiederkommen sollten. Spricht ja eigentlich für die Qualität!
Also machten wir erstmal einen kleinen Spaziergang durch die etwas entlegeneren Ecken Tallinns. Abseits von der Altstadt ist es, wie schon am Hafen, etwas heruntergekommen. Wir haben die Zeit aber doch ganz gut genutzt und waren in einem Supermarkt. Erstaunlich war, dass in Flaschen in der Getränkeabteilung unterschiedliche viel Inhalt hatten, aber immer das selbe kosteten. Jaja wie ist das nochmal mit Qualitätskontrolle...
Aber zurück zum Spannenden: Der Friseur. Wir wurden etwas verwundert an geguckt, als wir den Laden wieder betraten. Damit hatte wohl keiner gerechnet.^^ Schnell noch eine Frisur aus der Modezeitung ausgewählt, um die Kommunikation zu vereinfachen und schon gings los. Die Friseurin konnte die Hand gar nicht von der Schere lassen und schnitt und schnitt und die Haare wurden kürzer und kürzer. Ich saß nur auf meinem Zuschauerplatz und dachte, oh mein Gott, langsam ist es doch kurz genug, aber es ging immer weiter... spätestens da habe ich meine Entscheidung, nur zu gucken und zu filmen, nicht bereut. Nach ner knappen Stunde fast kontinuierlichen Schneidens war das Endergebnis perfekt und Prinz(essin) Eisenherz wiedergeboren. Das „Opfer“ war danach auch etwas ernüchternd und zog sich erstmal die Kapuze über :-D Also, Friseurbesuche in Tallinn kann ich nicht empfehlen!!
Auf den Schock mussten wir erstmal was essen. Mit Karte und einigen eingezeichneten Restaurants bewaffnet sind wir zurück in die Stadt. Die Restaurantsuche gestaltete sich allerdings was schwierig, weil alle ausgesuchten Restaurants schon ausgebucht waren. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, haben wir dann doch noch einen freien Tisch im „Porgu“ gefunden. Das Lokal in einem Keller war super, Essen war lecker, Preis und Bedienung gut. Also sehr empfehlenswert. Nach einem kleinen Abendspaziergang sind wir alle totmüde ins Bett gefallen.
Am nächsten Morgen, nach dem, wie gesagt, sehr herzhaften Frühstück, lernten wir das „wahre“ Shopping Paradies Estlands kennen. Da der Markt am Vortrag schon geschlossen hatte, schlenderten wir Samstag über ihr. Dort gab es alles, von Second-hand Klamotten, über Gemüse und Fleisch bis hin zu Grabsteinen und alles spottbillig. Trotzdem fühlte ich mich etwas unwohl zwischen den teilweise zerfallenden Läden und Leute die einen immer ansprechen mussten. Fotografieren wurde uns dort verboten, weshalb wir irgendwann zum Filmen übergegangen sind. Sind ja auch zwei komplett verschiedene Sachen.
Apotheke und Ausbuchtung im Dach
Im Anschluss gings wieder ins Stadtzentrum und zum Rathausplatz. Dort  steht eine der ältesten Apotheken Europas, die heute noch in Betrieb ist. Angrenzend an die Apotheke befindet sich ein „kleines Museum“ mit alten Arbeitsutensilien und Arzneien. Einige Medikamente waren allerdings gewöhnungsbedürftig :-D


Weiter gings zur Domkirche. Dort haben wir uns ein Orgelkonzert angehört, welches sehr schön war. Der Dom ist ein weiteres Wahrzeichen Tallins und bekannt für seine zahlreichen Grabplatten. An den Wänden hängen 107 Wappen von deutschbaltischen Adelsfamilien Estlands. Allgemein wirkte sie aber ein bisschen düster.
Ansonsten wurde noch der Dänenpark, mit seinen 4 Denkmälern besichtigt. Wusstet ihr, dass die dänische Flagge in Tallinn entstanden ist?! Noch ein bissl Souvenirs und Schokolade eingekauft, und Pizza, im Restaurant Pizza Grande, gegessen. Super leckere Pizza, mit viiiiel Käse. Mmmmmh. Dort wollten wir eigentlich schon am Vorabend hin, aber sie hatten leider keinen Tisch mehr frei. Nun kann ich sagen, verständlich ;-)
Dann hieß es auch schon wieder, tschüss Tallinn und ab an Bord Richtung Helsinki. Dort angekommen hatten wir noch etwas Aufenthalt bis unser Zug abfuhr. Also gingen wir zum Sokos Hotel und fuhren bis ganz nach oben, um die Aussicht über Helsinki bei Nacht zu erleben und es war wunderschön die ganzen Lichter und beleuchteten Häuser zu sehen.♥
Nach einer entspannten Bus und Bahnfahrt kamen wir wieder totmüde in Turku an. 
 
Der Trip war super und Tallinn ist unglaublich schön, wenngleich ein Besuch im Frühling/Sommer wohl empfehlenswerter ist. Ich habe gelernt, dass Estland Skype entwickelt hat, gradlinig ein Gefühlszustand ist und man keine enge Bindung zu seinen Haaren aufbauen sollte ;-) UND es war einfach geil, geil, geil ;-)
Hej då

1 Kommentar:

  1. Also ich finde die Frisur von deiner Mitreisenden wird von Tag zu Tag besser.
    Du nimmst deine Mütze ja nicht mal mehr beim Kochen ab...

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